Pubertät oder „Eltern sind peinlich“

 

...Der 14-jährige Marc eröffnet seinen Eltern, er fahre am kommenden Samstag mit

einem Freund und dessen Auto in die 100 Kilometer entfernte Großstadt in eine Disco

und übernachte bei Bekannten. Auf die Frage der Eltern, welcher Freund dies sei,

bei wem denn übernachtet werden solle und auf den Einwand, dass diese Aktion

noch genauer besprochen werden müsse, erhalten sie die Antwort, sie hätten ihm

überhaupt nichts mehr zu sagen, er könne für sich selbst entscheiden und lasse sich

nicht weiter bevormunden...

...Der 13-jährige Sven wird auf der Klassenfahrt mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus

eingeliefert...

...Die Eltern der 14-jährigen Mareike werden von der Polizei angerufen, sie könnten sie auf der Polizeistation in Empfang nehmen, sie sei beim Stehlen in einem Kaufhaus ertappt

worden...

...Der 15-jährige Mathias fällt in seinen Schulleistungen rapide ab. Durch Zufall erfahren die Eltern, dass er mehrfach die Schule geschwänzt hat und die Nachmittage nicht, wie

sie vermuteten, mit dem Erledigen der Hausaufgaben verbringt, sondern mit seinem Mofa

und Freunden in den umliegenden Wäldern herumfährt...

Kein Zweifel, die Pubertät ist ausgebrochen, die Zeit der Wandlung, Loslösung, Verselbständigung und Neuorientierung.

 

Pubertät, das heißt für viele Familien: Schluss mit der Vater - Mutter - Kind Idylle!

Stattdessen gibt es Streitigkeiten, Auseinandersetzungen, Provokationen, Grenzüberschreitungen,

Wut und Tränen bei allen Beteiligten. Nicht nur in Familien, die

schon bisher das Zusammenleben als anstrengend erlebten, sondern auch in Familien,

die sich selbst als harmonisch und "gut funktionierend“ beschreiben, ist der Zeitpunkt

der emotionalen, körperlichen und sozialen Verselbstständigung der Kinder ein

schwieriger Prozess, der alle Beteiligten vor hohe Ansprüche und Zerreißproben stellen

kann.

Das Verhalten der Jugendlichen ist vielen Eltern unverständlich, es macht auch ihnen

Angst. Sie haben Sorge, ob ihr Kind noch „normal“ ist, fragen sich, ob ihre bisherigen

Bemühen um eine angemessene Erziehung umsonst waren, befürchten ein Abgleiten

der Kinder in kriminelle oder soziale Abgründe u. v. m. Aus dieser Sorge und

Angst heraus reagieren Eltern dann häufig mit überzogenen Maßnahmen oder ent2

ziehen sich dem Erziehungsprozess. Sie können nur schwer die notwendige Gelassenheit

und Klarheit entwickeln, die gerade in dieser Zeit hilfreich und notwendig ist.

Darüber hinaus geht es in der Pubertät nicht nur um individuellen Veränderungsprozesse

der Kinder und Jugendlichen, sondern auch um die Veränderungen in den Beziehungen

zwischen Eltern und Kindern, um die Veränderung der Paarbeziehung der

Eltern und die Veränderung der ganzen Familie – und all dies will bewältigt werden.

 

Phasen der pubertären Entwicklung

 

Die Entwicklung der Jugendlichen und Kinder zu Erwachsenen vollzieht sich sowohl auf der körperlichen, der sozialen und der emotionalen Ebene in unterschiedlichen Phasen. Dien verschiedenen Entwicklungsschübe verlaufen nicht immer parallel und in festen Rhythmen, sondern unregelmäßig und sprunghaft. So ist

es durchaus möglich, dass ein groß gewachsener, im Stimmbruch befindlicher Junge

(körperliche Ebene) noch wie ein 10-jähriger mit Autos spielt (soziale Ebene), oder das

pubertierende Mädchen sich morgens stundenlang vor dem Spiegel schminkt (soziale

Ebene) und nachmittags mit dem Stofftier schmusend die Kindersendungen im Fernsehprogramm ansieht.

Die folgende Tabelle ist also nur eine grobe Orientierung, die erhebliche Verschiebungen

der einzelnen Phasen und Bereiche beinhalten

kann.

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Was passiert wann?

1. Phase (10-12- Jahre)

 

 

 

 

Körperliche Veränderungen

Stimmbruch, erste Menstruation, Schambehaarung,

Körperbehaarung, erhöhte Adrenalin- Ausschüttung, Produktion von

Sexualhormonen, (Östrogene bei Mädchen, Testosterone bei Jungen)

 

 

 

 

Psychisches Erleben

verstärktes Schamgefühl, (Abschließen der Badezimmertür), Selbstzweifel, Depressivität, Stimmungslabilität

 

 

Soziales Erleben/ Verhalten

Geheimnisse, Lügen, Starkult, Versuch einer eigenen Orientierung, Prozess der Wandlungen (Kinderzimmer), Distanz zur Erwachsenenwelt, Veränderung der Geschlechterbeziehung, Aufbau einer kritischen Distanz zu Eltern, extreme Wutausbrüche, verklemmte Schüchternheit

 

 

2. Phase (13 - 15 Jahre)

 

Körperliche Veränderungen

Talgdrüsen produzieren zuviel Hautfettn (Pickel), unstimmige

Körperproportionen, plötzliche Wachstumsschübe, erster Samenerguss

 

Psychisches Erleben

Allmachts- und Größenphantasien, Identitätsprobleme, Verletzbarkeit,

Verunsicherung, massive Selbstwertprobleme

 

Soziales Erleben/ Verhalten

Überzogenes Experimentieren mit typischen Rollenmustern

(Jungen: Alkohol,Macho-Verhalten, Lautstärke, Risikoverhalten…; Mädchen: Schminken, Spiegel, Frisuren...), Provokationen, Rüc

 

3. Phase (16 - 18 Jahre)

Körperliche Veränderungen

Körperliche Veränderung wird integriert, genossen, übertrieben, Äußerlichkeit hat hohen Stellenwert (Sport, Fitness, Essstörungen,

Sexualkontakte)

 

 

Psychisches Erleben

Aufbau eines neuen Selbstwertgefühls, z.T. gepaart mit Selbstüberschätzung egozentrisches Denken,

Sinnfindung

 

Soziales Erleben/ Verhalten

Beginn eigener Zukunftsorientierung, Politisierung,

Verselbstständigung, Lösung von elterlichen Vorgaben, Neuorientierung

des Zusammenlebens, Sekten

 

 

Pubertäres Verhalten und seine Bedeutung

Jungen und Mädchen in der Pubertät sind für Erwachsene oft schwer zu verstehen.

Sie werden gemessen an erwachsenen, „vernünftigen“ Maßstäben. Erwachsene vergessen häufig, hinter die Kulissen zu schauen, sich immer wieder zu fragen, was die

Jugendlichen meinen mit dem, was sie tun und was sie sagen. Oftmals müssen Erwachsene das Verhalten übersetzen, versuchen, das „Eigentliche“ zu verstehen. Die

folgende, sicherlich nicht vollständige Auflistung soll eine Anregung darstellen, pubertäreres Verhalten zu übersetzen und damit besser einzuordnen.

 

Pubertierende Jungen:

 

Themen, Interessen, Probleme,

Verhaltensmuster

Dahinter können unterschiedliche, „eigentliche“

Bedürfnisse oder Ängste stecken

Kämpfen, Rivalisieren, Kräfte messen Suche nach Anerkennung, Spaß, Sport, stark sein, Gruppengefühl, den eigenen Körper spüren,

aber auch: Angst, zu unterliegen Macho-Gehabe

Machtdemonstration Gefühle kontrollieren, cool sein, Angst vor Versagen

und Schwäche, Angst, kein „richtiger“ Mann zu sein Geld- und Statussymbole (Handy, Mofa, Auto) Geltung, Akzeptanz, Macht, Freiheit

Regelmäßig Alkohol trinken Anerkennung bei Jüngeren, Aufwertung (als Quasi- Erwachsener), Verständnis von Männlichkeit, Hemmungen überspielen, Probleme verdrängen Stark sein, provozieren Überspielen von Unsicherheit, geringe Frustrationstoleranz, Sieger sein Video und Computerkonsum EDV-Interesse, Abgrenzung nach innen und nach

außen, Suche nach Vorbildern und Idealen, Vertreiben von Langeweile

Karten- und Glücksspiel Risikofreudigkeit beweisen, Gewinner sein, Abgeklärtheit demonstrieren Große Klappe, Pöbeleien Imponieren, Selbsterhöhung, Selbstaufwertung, Angst vor eigener Unsicherheit

Pornografie/Sexismus Neugierde, Wunsch nach Information Leistungsund Gruppendruck, Angst, Männlichkeitsnormen nicht zu erfüllen Abwertung und Abgrenzung von Mädchen

Rollenübernahme, Unsicherheit, Angst, unmännlich zu sein, Kontaktwunsch, Angst, unterlegen zu sein Probierkonsum von

(illegalen) Rauschmitteln Sich als Mann beweisen, Abenteuer, Grenzüberschreitung, Abgrenzung von Erwachsenennormalität

Fremdenfeindlichkeit Suche nach Identität, sich selbst stark fühlen, Aggressionsabfuhr, Angst, selbst Opfer zu sein Wechselnde Idole

Hilflosigkeit, Gruppendruck, Abgrenzun Unterwegs sein(mit der Clique)

Unabhängigkeit, Zugehörigkeit

 

Pubertierende Mädchen:

Themen, Interessen, Probleme,

Verhaltensmuster

Dahinter können unterschiedliche, „eigentliche“

Bedürfnisse oder Ängste stecken

Vergleichen mit Anderen, Körperkult, Mode Suche nach Anerkennung, schön sein, Gruppengefühl, den eigen Körper spüren,

aber auch: Angst, zu unterliegen Übertriebene Rollenklischees

Gefühle kontrollieren, fraulich sein, Angst, nicht dazu zu gehören, den Idealen nicht zu entsprechen Geld- und Statussymbole (Handy)

Geltung, Akzeptanz, Freiheit, Unabhängigkeit Regelmäßiges rauchen oder Alkohol trinken Anerkennung bei Jüngeren, Aufwertung (als Quasi-Erwachsene), Hemmungen überspielen, Probleme verdrängen „zickig“ sein, provozieren Überspielen von Unsicherheit, geringe Frustrationstoleranz, Verletzlichkeit überspielen Video Abgrenzung nach innen und nach außen, Suche nach Vorbildern und Idealen, Vertreiben von Langeweile Star-Kult (Boy-Groups) Projektion der eigenen Sehnsüchte und Phantasien Zeitschriften (Bravo, Mode, Stars…)Möglichkeit der Identifikation mit Idolen, Ausleben von Träumen, Information über „heikle“ Themen Große Klappe, Pöbeleien Imponieren, Selbsterhöhung, Selbstaufwertung, Angst vor eigener Unsicherheit

Abwertung und Abgrenzung von Jungen Rollenübernahme, Unsicherheit,

Angst, nicht fraulich zu sein, Kontaktwunsch, Angst, unterlegen zu sein

Probierkonsum von (illegalen) Rauschmitteln Abenteuer, Grenzüberschreitung, Abgrenzung von Erwachsenennormalität Fremdenfeindlichkeit Suche nach Identität, sich selbst stark fühlen, Aggressionsabfuhr, Angst, selbst Opfer zu sein Wechselnde Idole Hilflosigkeit, Gruppendruck, Abgrenzung Unterwegs sein (mit der Clique)

Unabhängigkeit, Zugehörigkeit

 

Kritisches Elternverhalten

Eltern haben es oft schwer, in der Pubertät die richtige Balance zu finden zwischen

Halten und Loslassen, zwischen Kontrolle und Vertrauen, zwischen Grenzen setzen

und Freiraum lassen. Die unterschiedlichen, oft unvorhersehbaren Verhaltensweisen

ihrer Kinder verlangen ihnen immer wieder ab, ihre eigene Einstellung, ihre Haltung

den Kindern gegenüber und ihr Verhalten neu zu überprüfen. Dabei geraten Eltern

häufig in typische Verhaltensmuster, die für die Entwicklung der Kinder schwierig

sein können.

 

1. Bindende Eltern

Gemeint sind Eltern, die eine sehr enge Bindung an ihre jugendlichen Kinder haben

oder haben möchten, die versuchen, den Jugendlichen möglichst gleich zu sein, z. B.

durch gleiche Kleidung, gleichen Discobesuch, gleiche Musik, und die versuchen, die

Distanz zwischen sich und den Kindern aufzuheben. Sie identifizieren sich mit den

Problemen der Jugendlichen („Wir müssen etwas für die Schule tun, wir haben Liebeskummer“)

und können schwer aushalten, die Ablösung der Kinder erleben zu

müssen.

Eine andere Form überstarker Bindung zeigt sich in zu starker Kontrolle und Einengung

jugendlicher Bestrebung nach Unabhängigkeit. Die Verselbständigung ihrer

Kinder ist für diese Eltern eine Bedrohung, der sie glauben, entkommen zu können,

indem sie sich durch Anpassung an die Kinder oder überstarke Kontrolle mehr ins

Leben der Kinder einmischen, als sinnvoll ist.

 

2. Eltern, die Ablösung zulassen, aber unbewusste Wünsche weitergeben

Diese Beziehungen sind dadurch gekennzeichnet, dass Jugendliche z. B. die Möglichkeit

haben, eine Ausbildung in einer anderen Stadt zu machen, unterschwellig

wird aber erwartet, dass sie danach wieder zurückkommen.

Eine andere Variante ist, dass Jugendliche zwar eigenständig sein dürfen, dass von

ihnen aber erwartet wird, ihre Eltern immer und über alles zu informieren. Diese Eltern

vermitteln zunächst den Eindruck, loslassen zu können, durch übergroßes Interesse,

ständiges Nachfragen und unterschwellige Botschaften erschweren sie den

Jugendlichen aber tatsächlich die Entwicklung zur Eigenständigkeit.

Die Jugendlichen entwickeln unter diesen Bedingungen ein chronisch schlechtes

Gewissen, können ihre Autonomie nicht unbeschwert genießen, sondern haben immer

das Gefühl, ihren Eltern noch etwas zu schulden.

 

3. Ausstoßende Eltern

Diese Gruppe der Eltern überlässt die Jugendlichen zu früh sich selbst, lässt sehr viel

Eigenständigkeit zu, zeigt sehr wenig Beteiligung am Leben der Jungen und Mädchen.

Ihnen ist gleichgültig, was Jugendliche machen, sie überfordern die Jugendlichen

mit Entscheidungen, die diese allein nicht treffen können. Gemeint sind Eltern,

die immer erst dann reagieren, wenn sie von außen gedrängt werden, die erst dann

auf das Schule- Schwänzen reagieren, wenn die Schule ein Bußgeld androht, wenn

das Jugendamt mit Heimeinweisung und ähnlichem mehr droht.

Auch wenn Jugendliche Unabhängigkeit einfordern, erleben sie diese Haltung der

Eltern als Desinteresse und sich selbst als überflüssig und wertlos („Was ich mache,

interessiert ja doch keinen.“)

 

Beziehungsfallen

Genau so, wie es auf der Seite der Jugendlichen typisch pubertäre Verhaltensmuster

gibt, gibt es auf Seiten der Eltern immer wiederkehrende Reaktionen, die das Zusammenleben

erschweren und belasten können.

 

Teufelskreis Kontrolle:

Eltern können nicht aushalten, dass die Kinder sich distanzieren, Geheimnisse haben,

nicht alles preisgeben. Misstrauen und Verunsicherung bei Eltern führt schnell zu verstärkter Kontrolle (der Taschen, des Tornisters, des Schreibtisches ...) mit wiederum

verstärkter Abwehr der Kontrolle auf Seiten der Jugendlichen und verstärkter

Überschreitung von Grenzen. Daraus resultiert wiederum verstärkte Kontrolle. Es

kommt zu eskalierenden Machtkämpfen bis hin zu räumlichen Trennungen (Internat,

Heim ...). Die Kunst der Eltern ist es, einerseits durch Vertrauensvorschuss die Eigenverantwortlichkeit der Jugendlichen so weit wie möglich zu stärken und andererseits so wenig Kontrolle wie eben nötig auszuüben.

 

Zu frühe Verselbstständigung:

Aus unterschiedlichen Gründen werden Jugendliche zu früh sich selbst überlassen.

Die Fähigkeit der Jugendlichen, allein Verantwortung zu übernehmen („Ich bin alt

genug, für mich zu entscheiden.“) wird überschätzt. Zu frühes: „Du musst es selbst

entscheiden", „mach doch, was du willst,“ führt letztendlich zu Vernachlässigung und

Überforderung und ist nicht das, was Jugendliche wirklich wollen. Erwachsene müssen

wissen, dass Jugendliche einerseits Selbstständigkeit fordern und gleichzeitig zu

frühe Verselbstständigung als Desinteresse deuten („Ich bin Euch egal!“).

Nehmen Sie als Eltern die Selbstständigkeitsbestrebungen der Jugendlichen

ernst und fragen sie sich gleichzeitig, wo Sie als Erwachsene wirklich Position

beziehen müssen.

 

Auseinandersetzung wird vermieden:

Aus Resignation, Enttäuschung, Überforderung, aber auch aus Angst vor den Kindern

oder mangelnder Bereitschaft, sich auf immer wiederkehrende Diskussionen

einzulassen, umgehen und vermeiden Eltern den Kontakt und die Auseinandersetzung.

Anstatt die Auseinandersetzung zu suchen, versuchen sie, „hintenherum“ an

ihre Informationen zu kommen. Um die notwendige „Reibung“ zu erzielen, verstärken

Jugendliche ihre provozierenden Haltungen und verstärken damit die Spannung,

bzw. sie zwingen die Eltern in die Auseinandersetzung.

Sie kommen als Eltern nicht darum herum, auch sinnlose Auseinandersetzungen

zu führen, weil häufig der Streit an sich und nicht der Inhalt das Wesentliche

ist.

 

Provokationen werden persönlich genommen:

Erwachsene unterscheiden nicht und verstehen nicht das Dilemma der Kinder, sich

zwischen Kontaktwunsch einerseits und Abgrenzung andererseits zu erleben. Die

zum Teil recht massiven verbalen Attacken („blöde Kuh“, „Idiot“) den Eltern gegenüber

dienen einerseits der Abgrenzung, führen aber andererseits auch dazu, dass

die Jugendlichen ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie wissen, dass die Äußerungen völlig unangemessen sind. Eltern können mit den verbalen Entgleisungen

oft nur schwer umgehen und ziehen sich gekränkt und verletzt aus dem Kontakt zurück.

Sie sehen nicht, dass ablehnendes Verhalten der Jugendlichen in der Regel

nicht ihnen als Person, sondern ihnen als Vertretern der Erwachsenenwelt gilt.

In der Pubertät brauchen Erwachsene oft ein großes Herz und viel innere Sicherheit,

um unterscheiden zu können zwischen pubertärem Übermut und

wirklicher Grenzüberschreitung.

 

Erwachsene können es nicht aushalten, entidealisiert zu werden:

Um ihre „Überlegenheit“ zu demonstrieren, suchen Erwachsene die wunden Stellen

der Jugendlichen. Sie wollen mit aller Gewalt auf dem Sockel bleiben, von dem die

Jugendlichen sie stürzen wollen. Aus Eitelkeit, Machtstreben oder eigener Hilflosigkeit

versuchen die Erwachsenen, die Jugendlichen zu verunsichern, indem sie sie

„an die Wand diskutieren“, bloßstellen oder lächerlich machen. Auch wenn es häufig

so aussieht, als legten die Jugendlichen es darauf an: Das, was sie am schwersten

verkraften, ist, von den Erwachsenen aufgegeben zu werden.

Gönnen Sie den Jugendlichen das Gefühl, Sie „besiegt“ zu haben. Die Zeiten,

in denen Sie „Traumpapa“ oder „Traummama“ waren, sind vorbei. Tun Sie Ihren

Teil dazu, ein erwachsener Partner Ihrer Kinder zu werden.

Wesentliche Aufgabe der Erwachsenen in der Pubertät ist, gerade dann, wenn es zu

drastischen Vorfällen kommt, wenn z. B. Jugendliche massiv provozieren, die Beziehung

nicht abzubrechen. Gerade psychisch instabile Jugendliche brauchen die Verlässlichkeit

der sie begleitenden Erwachsenen.

Auch wenn es für diese schwierige Aufgabe keine Patentrezepte gibt, sollten Erwachsene

versuchen, einige „Leitsätze“ im Umgang mit ihrem pubertierenden Nachwuchs

zu beherzigen.

 

Was hilft oder: Gebote und Verbote für Eltern

 

Versuchen Sie nicht, jugendlicher zu sein als die Jugendlichen, es hilft Ihnen

nicht. Jugendliche achten „richtige“ Erwachsene mehr als „Berufsjugendliche“.

Sie wollen keine 40–jährigen Freunde und Freundinnen.

 

Seien Sie erwachsen, auch wenn Sie dafür Provokationen ernten.

 

Stellen Sie sich dem Kontakt.

 

Stellen Sie vernünftige Regeln auf und seien Sie flexibel bei der Einhaltung.

Lassen Sie Spielräume.

 

Ermöglichen Sie Jugendlichen, ohne Gesichtsverlust Grenzüberschreitungen

und Regelverletzungen wieder zu korrigieren.

 

Erziehung findet bei Jugendlichen nebenbei statt (beim Spaziergang, während

der Autofahrt, beim Einkauf ...).

 

Nisten Sie sich im Hinterkopf der Jugendlichen als Stimme ein.

 

Stellen Sie Jugendliche nie bloß, sie sind ausgesprochen verletzlich.

 

Überhören Sie, was nicht unbedingt angesprochen werden muss.

 

Halten Sie sich zurück mit Ihrer Meinung über Musik, Hobbys, Kleidung,

Outfit der Jugendlichen.

 

Drängen Sie sich nicht auf, aber stehen Sie zur Verfügung.

 

Unterstellen Sie immer wieder, dass Sie für die Jugendlichen wichtig sind,

auch wenn es sich manchmal anders anhört.

 

Betonen Sie nie (vor allem im Beisein Anderer), dass Sie Phasen mit wenigen

Konflikten haben, es könnte von den Jugendlichen als Aufforderung zu

neuen Provokationen verstanden werden. Genießen Sie lieber spannungsfreie

Phasen, solange sie dauern!

 

Trauen Sie Jugendlichen etwas zu und fordern sie sie.

 

Lassen Sie sich nie an Orten blicken, die Jugendliche für sich reserviert haben

(Treffpunkte, Discos ...).

 

Ironie trifft eine verletzliche Seele besonders hart.

 

Denken Sie daran, dass die eigentlichen Grundlagen für Ihre Beziehung vor

der Pubertät gelegt werden.

 

Sprechen Sie mit anderen Eltern, die in einer vergleichbaren Situation sind

und mit solchen, die diese schwierige Zeit hinter sich haben.

 

 

Wenn es mal gar nicht mehr auszuhalten ist, denken sie daran:

 

In einigen Jahren werden Sie und Ihre Kinder mit ein bisschen Abstand mit Kopfschütteln

und Schmunzeln an die Episoden aus dieser Zeit denken und unter der Überschrift: „Weißt du noch, als Du 14 Jahre alt warst ...“, dann Einiges besser verstehen

und einordnen können.

 

Kinder haben selten auf die ältere Generation gehört,

aber nie versäumt, sie nachzuahmen

 

 

 

 

Literaturverzeichnis:

Bastian, Maike und Till: Die Angst der Eltern vor dem Kind. Beck 2001

Benard Cherry/Schlaffer Edit: Einsame Cowboys. Jungen in der Pubertät. Kösel 2000

Hantel-Quitmann, Wolfgang: Beziehungsweise Familie. Band 1. Lambertus 1996

Mednick, Fred: Rebellen ohne Führerschein. Beltz 1998

Neutzling, Rainer: Herzkasper. Eine Geschichten über Liebe und Sexualität.

Rowohlt 1995

Rogge, Jan Uwe: Pubertät. Loslassen und Haltgeben. Rowohlt 1998

 

Autor:

Klaus Fischer

Dipl.-Soz.päd., Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut, Familientherapeut

(DGFS), Supervisor (DGFS)

Unter dem Leitthema: „Hilfen für Eltern“ sind folgende Broschüren direkt beim Autor

zu beziehen:

Hilfen für Eltern 1: „Mein Kind kommt in die Schule“

Hilfen für Eltern 2: „Pubertät – Wenn die Eltern komisch werden“

Hilfen für Eltern 3: „Immer diese Hausaufgaben“

Hilfen für Eltern 4: "Grenzen setzen"

Hilfen für Eltern 5: "Konzentration"

Hilfen für Eltern 6: "Wie funktioniert eine Familie?"

Hilfen für Eltern 7: "Die spielen ja nur "- Zur Bedeutung des Spiels im

                               Vorschulalter

Hilfen für Eltern 8: Kinder und Medien

 

Adresse:

Klaus Fischer

Rehweg 48

59872 Meschede

 

mailto: Kl.fischer-meschede@t-onine.de

Website: http://www.fischer-erziehungshilfen.de

 

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