Pubertät oder „Eltern sind peinlich“
...Der 14-jährige Marc eröffnet seinen Eltern, er fahre am kommenden Samstag mit
einem Freund und dessen Auto in die 100 Kilometer entfernte Großstadt in eine Disco
und übernachte bei Bekannten. Auf die Frage der Eltern, welcher Freund dies sei,
bei wem denn übernachtet werden solle und auf den Einwand, dass diese Aktion
noch genauer besprochen werden müsse, erhalten sie die Antwort, sie hätten ihm
überhaupt nichts mehr zu sagen, er könne für sich selbst entscheiden und lasse sich
nicht weiter bevormunden...
...Der 13-jährige Sven wird auf der Klassenfahrt mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus
eingeliefert...
...Die Eltern der 14-jährigen Mareike werden von der Polizei angerufen, sie könnten sie auf der Polizeistation in Empfang nehmen, sie sei beim Stehlen in einem Kaufhaus ertappt
worden...
...Der 15-jährige Mathias fällt in seinen Schulleistungen rapide ab. Durch Zufall erfahren die Eltern, dass er mehrfach die Schule geschwänzt hat und die Nachmittage nicht, wie
sie vermuteten, mit dem Erledigen der Hausaufgaben verbringt, sondern mit seinem Mofa
und Freunden in den umliegenden Wäldern herumfährt...
Kein Zweifel, die Pubertät ist ausgebrochen, die Zeit der Wandlung, Loslösung, Verselbständigung und Neuorientierung.
Pubertät, das heißt für viele Familien: Schluss mit der Vater - Mutter - Kind Idylle!
Stattdessen gibt es Streitigkeiten, Auseinandersetzungen, Provokationen, Grenzüberschreitungen,
Wut und Tränen bei allen Beteiligten. Nicht nur in Familien, die
schon bisher das Zusammenleben als anstrengend erlebten, sondern auch in Familien,
die sich selbst als harmonisch und "gut funktionierend“ beschreiben, ist der Zeitpunkt
der emotionalen, körperlichen und sozialen Verselbstständigung der Kinder ein
schwieriger Prozess, der alle Beteiligten vor hohe Ansprüche und Zerreißproben stellen
kann.
Das Verhalten der Jugendlichen ist vielen Eltern unverständlich, es macht auch ihnen
Angst. Sie haben Sorge, ob ihr Kind noch „normal“ ist, fragen sich, ob ihre bisherigen
Bemühen um eine angemessene Erziehung umsonst waren, befürchten ein Abgleiten
der Kinder in kriminelle oder soziale Abgründe u. v. m. Aus dieser Sorge und
Angst heraus reagieren Eltern dann häufig mit überzogenen Maßnahmen oder ent2
ziehen sich dem Erziehungsprozess. Sie können nur schwer die notwendige Gelassenheit
und Klarheit entwickeln, die gerade in dieser Zeit hilfreich und notwendig ist.
Darüber hinaus geht es in der Pubertät nicht nur um individuellen Veränderungsprozesse
der Kinder und Jugendlichen, sondern auch um die Veränderungen in den Beziehungen
zwischen Eltern und Kindern, um die Veränderung der Paarbeziehung der
Eltern und die Veränderung der ganzen Familie – und all dies will bewältigt werden.
Phasen der pubertären Entwicklung
Die Entwicklung der Jugendlichen und Kinder zu Erwachsenen vollzieht sich sowohl auf der körperlichen, der sozialen und der emotionalen Ebene in unterschiedlichen Phasen. Dien verschiedenen Entwicklungsschübe verlaufen nicht immer parallel und in festen Rhythmen, sondern unregelmäßig und sprunghaft. So ist
es durchaus möglich, dass ein groß gewachsener, im Stimmbruch befindlicher Junge
(körperliche Ebene) noch wie ein 10-jähriger mit Autos spielt (soziale Ebene), oder das
pubertierende Mädchen sich morgens stundenlang vor dem Spiegel schminkt (soziale
Ebene) und nachmittags mit dem Stofftier schmusend die Kindersendungen im Fernsehprogramm ansieht.
Die folgende Tabelle ist also nur eine grobe Orientierung, die erhebliche Verschiebungen
der einzelnen Phasen und Bereiche beinhalten
kann.
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Was passiert wann?
1. Phase (10-12- Jahre)
Körperliche Veränderungen
Stimmbruch, erste Menstruation, Schambehaarung,
Körperbehaarung, erhöhte Adrenalin- Ausschüttung, Produktion von
Sexualhormonen, (Östrogene bei Mädchen, Testosterone bei Jungen)
Psychisches Erleben
verstärktes Schamgefühl, (Abschließen der Badezimmertür), Selbstzweifel, Depressivität, Stimmungslabilität
Soziales Erleben/ Verhalten
Geheimnisse, Lügen, Starkult, Versuch einer eigenen Orientierung, Prozess der Wandlungen (Kinderzimmer), Distanz zur Erwachsenenwelt, Veränderung der Geschlechterbeziehung, Aufbau einer kritischen Distanz zu Eltern, extreme Wutausbrüche, verklemmte Schüchternheit
2. Phase (13 - 15 Jahre)
Körperliche Veränderungen
Talgdrüsen produzieren zuviel Hautfettn (Pickel), unstimmige
Körperproportionen, plötzliche Wachstumsschübe, erster Samenerguss
Psychisches Erleben
Allmachts- und Größenphantasien, Identitätsprobleme, Verletzbarkeit,
Verunsicherung, massive Selbstwertprobleme
Soziales Erleben/ Verhalten
Überzogenes Experimentieren mit typischen Rollenmustern
(Jungen: Alkohol,Macho-Verhalten, Lautstärke, Risikoverhalten…; Mädchen: Schminken, Spiegel, Frisuren...), Provokationen, Rüc
3. Phase (16 - 18 Jahre)
Körperliche Veränderungen
Körperliche Veränderung wird integriert, genossen, übertrieben, Äußerlichkeit hat hohen Stellenwert (Sport, Fitness, Essstörungen,
Sexualkontakte)
Psychisches Erleben
Aufbau eines neuen Selbstwertgefühls, z.T. gepaart mit Selbstüberschätzung egozentrisches Denken,
Sinnfindung
Soziales Erleben/ Verhalten
Beginn eigener Zukunftsorientierung, Politisierung,
Verselbstständigung, Lösung von elterlichen Vorgaben, Neuorientierung
des Zusammenlebens, Sekten
Pubertäres Verhalten und seine Bedeutung
Jungen und Mädchen in der Pubertät sind für Erwachsene oft schwer zu verstehen.
Sie werden gemessen an erwachsenen, „vernünftigen“ Maßstäben. Erwachsene vergessen häufig, hinter die Kulissen zu schauen, sich immer wieder zu fragen, was die
Jugendlichen meinen mit dem, was sie tun und was sie sagen. Oftmals müssen Erwachsene das Verhalten übersetzen, versuchen, das „Eigentliche“ zu verstehen. Die
folgende, sicherlich nicht vollständige Auflistung soll eine Anregung darstellen, pubertäreres Verhalten zu übersetzen und damit besser einzuordnen.
Pubertierende Jungen:
Themen, Interessen, Probleme,
Verhaltensmuster
Dahinter können unterschiedliche, „eigentliche“
Bedürfnisse oder Ängste stecken
Kämpfen, Rivalisieren, Kräfte messen Suche nach Anerkennung, Spaß, Sport, stark sein, Gruppengefühl, den eigenen Körper spüren,
aber auch: Angst, zu unterliegen Macho-Gehabe
Machtdemonstration Gefühle kontrollieren, cool sein, Angst vor Versagen
und Schwäche, Angst, kein „richtiger“ Mann zu sein Geld- und Statussymbole (Handy, Mofa, Auto) Geltung, Akzeptanz, Macht, Freiheit
Regelmäßig Alkohol trinken Anerkennung bei Jüngeren, Aufwertung (als Quasi- Erwachsener), Verständnis von Männlichkeit, Hemmungen überspielen, Probleme verdrängen Stark sein, provozieren Überspielen von Unsicherheit, geringe Frustrationstoleranz, Sieger sein Video und Computerkonsum EDV-Interesse, Abgrenzung nach innen und nach
außen, Suche nach Vorbildern und Idealen, Vertreiben von Langeweile
Karten- und Glücksspiel Risikofreudigkeit beweisen, Gewinner sein, Abgeklärtheit demonstrieren Große Klappe, Pöbeleien Imponieren, Selbsterhöhung, Selbstaufwertung, Angst vor eigener Unsicherheit
Pornografie/Sexismus Neugierde, Wunsch nach Information Leistungsund Gruppendruck, Angst, Männlichkeitsnormen nicht zu erfüllen Abwertung und Abgrenzung von Mädchen
Rollenübernahme, Unsicherheit, Angst, unmännlich zu sein, Kontaktwunsch, Angst, unterlegen zu sein Probierkonsum von
(illegalen) Rauschmitteln Sich als Mann beweisen, Abenteuer, Grenzüberschreitung, Abgrenzung von Erwachsenennormalität
Fremdenfeindlichkeit Suche nach Identität, sich selbst stark fühlen, Aggressionsabfuhr, Angst, selbst Opfer zu sein Wechselnde Idole
Hilflosigkeit, Gruppendruck, Abgrenzun Unterwegs sein(mit der Clique)
Unabhängigkeit, Zugehörigkeit
Pubertierende Mädchen:
Themen, Interessen, Probleme,
Verhaltensmuster
Dahinter können unterschiedliche, „eigentliche“
Bedürfnisse oder Ängste stecken
Vergleichen mit Anderen, Körperkult, Mode Suche nach Anerkennung, schön sein, Gruppengefühl, den eigen Körper spüren,
aber auch: Angst, zu unterliegen Übertriebene Rollenklischees
Gefühle kontrollieren, fraulich sein, Angst, nicht dazu zu gehören, den Idealen nicht zu entsprechen Geld- und Statussymbole (Handy)
Geltung, Akzeptanz, Freiheit, Unabhängigkeit Regelmäßiges rauchen oder Alkohol trinken Anerkennung bei Jüngeren, Aufwertung (als Quasi-Erwachsene), Hemmungen überspielen, Probleme verdrängen „zickig“ sein, provozieren Überspielen von Unsicherheit, geringe Frustrationstoleranz, Verletzlichkeit überspielen Video Abgrenzung nach innen und nach außen, Suche nach Vorbildern und Idealen, Vertreiben von Langeweile Star-Kult (Boy-Groups) Projektion der eigenen Sehnsüchte und Phantasien Zeitschriften (Bravo, Mode, Stars…)Möglichkeit der Identifikation mit Idolen, Ausleben von Träumen, Information über „heikle“ Themen Große Klappe, Pöbeleien Imponieren, Selbsterhöhung, Selbstaufwertung, Angst vor eigener Unsicherheit
Abwertung und Abgrenzung von Jungen Rollenübernahme, Unsicherheit,
Angst, nicht fraulich zu sein, Kontaktwunsch, Angst, unterlegen zu sein
Probierkonsum von (illegalen) Rauschmitteln Abenteuer, Grenzüberschreitung, Abgrenzung von Erwachsenennormalität Fremdenfeindlichkeit Suche nach Identität, sich selbst stark fühlen, Aggressionsabfuhr, Angst, selbst Opfer zu sein Wechselnde Idole Hilflosigkeit, Gruppendruck, Abgrenzung Unterwegs sein (mit der Clique)
Unabhängigkeit, Zugehörigkeit
Kritisches Elternverhalten
Eltern haben es oft schwer, in der Pubertät die richtige Balance zu finden zwischen
Halten und Loslassen, zwischen Kontrolle und Vertrauen, zwischen Grenzen setzen
und Freiraum lassen. Die unterschiedlichen, oft unvorhersehbaren Verhaltensweisen
ihrer Kinder verlangen ihnen immer wieder ab, ihre eigene Einstellung, ihre Haltung
den Kindern gegenüber und ihr Verhalten neu zu überprüfen. Dabei geraten Eltern
häufig in typische Verhaltensmuster, die für die Entwicklung der Kinder schwierig
sein können.
1. Bindende Eltern
Gemeint sind Eltern, die eine sehr enge Bindung an ihre jugendlichen Kinder haben
oder haben möchten, die versuchen, den Jugendlichen möglichst gleich zu sein, z. B.
durch gleiche Kleidung, gleichen Discobesuch, gleiche Musik, und die versuchen, die
Distanz zwischen sich und den Kindern aufzuheben. Sie identifizieren sich mit den
Problemen der Jugendlichen („Wir müssen etwas für die Schule tun, wir haben Liebeskummer“)
und können schwer aushalten, die Ablösung der Kinder erleben zu
müssen.
Eine andere Form überstarker Bindung zeigt sich in zu starker Kontrolle und Einengung
jugendlicher Bestrebung nach Unabhängigkeit. Die Verselbständigung ihrer
Kinder ist für diese Eltern eine Bedrohung, der sie glauben, entkommen zu können,
indem sie sich durch Anpassung an die Kinder oder überstarke Kontrolle mehr ins
Leben der Kinder einmischen, als sinnvoll ist.
2. Eltern, die Ablösung zulassen, aber unbewusste Wünsche weitergeben
Diese Beziehungen sind dadurch gekennzeichnet, dass Jugendliche z. B. die Möglichkeit
haben, eine Ausbildung in einer anderen Stadt zu machen, unterschwellig
wird aber erwartet, dass sie danach wieder zurückkommen.
Eine andere Variante ist, dass Jugendliche zwar eigenständig sein dürfen, dass von
ihnen aber erwartet wird, ihre Eltern immer und über alles zu informieren. Diese Eltern
vermitteln zunächst den Eindruck, loslassen zu können, durch übergroßes Interesse,
ständiges Nachfragen und unterschwellige Botschaften erschweren sie den
Jugendlichen aber tatsächlich die Entwicklung zur Eigenständigkeit.
Die Jugendlichen entwickeln unter diesen Bedingungen ein chronisch schlechtes
Gewissen, können ihre Autonomie nicht unbeschwert genießen, sondern haben immer
das Gefühl, ihren Eltern noch etwas zu schulden.
3. Ausstoßende Eltern
Diese Gruppe der Eltern überlässt die Jugendlichen zu früh sich selbst, lässt sehr viel
Eigenständigkeit zu, zeigt sehr wenig Beteiligung am Leben der Jungen und Mädchen.
Ihnen ist gleichgültig, was Jugendliche machen, sie überfordern die Jugendlichen
mit Entscheidungen, die diese allein nicht treffen können. Gemeint sind Eltern,
die immer erst dann reagieren, wenn sie von außen gedrängt werden, die erst dann
auf das Schule- Schwänzen reagieren, wenn die Schule ein Bußgeld androht, wenn
das Jugendamt mit Heimeinweisung und ähnlichem mehr droht.
Auch wenn Jugendliche Unabhängigkeit einfordern, erleben sie diese Haltung der
Eltern als Desinteresse und sich selbst als überflüssig und wertlos („Was ich mache,
interessiert ja doch keinen.“)
Beziehungsfallen
Genau so, wie es auf der Seite der Jugendlichen typisch pubertäre Verhaltensmuster
gibt, gibt es auf Seiten der Eltern immer wiederkehrende Reaktionen, die das Zusammenleben
erschweren und belasten können.
Teufelskreis Kontrolle:
Eltern können nicht aushalten, dass die Kinder sich distanzieren, Geheimnisse haben,
nicht alles preisgeben. Misstrauen und Verunsicherung bei Eltern führt schnell zu verstärkter Kontrolle (der Taschen, des Tornisters, des Schreibtisches ...) mit wiederum
verstärkter Abwehr der Kontrolle auf Seiten der Jugendlichen und verstärkter
Überschreitung von Grenzen. Daraus resultiert wiederum verstärkte Kontrolle. Es
kommt zu eskalierenden Machtkämpfen bis hin zu räumlichen Trennungen (Internat,
Heim ...). Die Kunst der Eltern ist es, einerseits durch Vertrauensvorschuss die Eigenverantwortlichkeit der Jugendlichen so weit wie möglich zu stärken und andererseits so wenig Kontrolle wie eben nötig auszuüben.
Zu frühe Verselbstständigung:
Aus unterschiedlichen Gründen werden Jugendliche zu früh sich selbst überlassen.
Die Fähigkeit der Jugendlichen, allein Verantwortung zu übernehmen („Ich bin alt
genug, für mich zu entscheiden.“) wird überschätzt. Zu frühes: „Du musst es selbst
entscheiden", „mach doch, was du willst,“ führt letztendlich zu Vernachlässigung und
Überforderung und ist nicht das, was Jugendliche wirklich wollen. Erwachsene müssen
wissen, dass Jugendliche einerseits Selbstständigkeit fordern und gleichzeitig zu
frühe Verselbstständigung als Desinteresse deuten („Ich bin Euch egal!“).
Nehmen Sie als Eltern die Selbstständigkeitsbestrebungen der Jugendlichen
ernst und fragen sie sich gleichzeitig, wo Sie als Erwachsene wirklich Position
beziehen müssen.
Auseinandersetzung wird vermieden:
Aus Resignation, Enttäuschung, Überforderung, aber auch aus Angst vor den Kindern
oder mangelnder Bereitschaft, sich auf immer wiederkehrende Diskussionen
einzulassen, umgehen und vermeiden Eltern den Kontakt und die Auseinandersetzung.
Anstatt die Auseinandersetzung zu suchen, versuchen sie, „hintenherum“ an
ihre Informationen zu kommen. Um die notwendige „Reibung“ zu erzielen, verstärken
Jugendliche ihre provozierenden Haltungen und verstärken damit die Spannung,
bzw. sie zwingen die Eltern in die Auseinandersetzung.
Sie kommen als Eltern nicht darum herum, auch sinnlose Auseinandersetzungen
zu führen, weil häufig der Streit an sich und nicht der Inhalt das Wesentliche
ist.
Provokationen werden persönlich genommen:
Erwachsene unterscheiden nicht und verstehen nicht das Dilemma der Kinder, sich
zwischen Kontaktwunsch einerseits und Abgrenzung andererseits zu erleben. Die
zum Teil recht massiven verbalen Attacken („blöde Kuh“, „Idiot“) den Eltern gegenüber
dienen einerseits der Abgrenzung, führen aber andererseits auch dazu, dass
die Jugendlichen ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie wissen, dass die Äußerungen völlig unangemessen sind. Eltern können mit den verbalen Entgleisungen
oft nur schwer umgehen und ziehen sich gekränkt und verletzt aus dem Kontakt zurück.
Sie sehen nicht, dass ablehnendes Verhalten der Jugendlichen in der Regel
nicht ihnen als Person, sondern ihnen als Vertretern der Erwachsenenwelt gilt.
In der Pubertät brauchen Erwachsene oft ein großes Herz und viel innere Sicherheit,
um unterscheiden zu können zwischen pubertärem Übermut und
wirklicher Grenzüberschreitung.
Erwachsene können es nicht aushalten, entidealisiert zu werden:
Um ihre „Überlegenheit“ zu demonstrieren, suchen Erwachsene die wunden Stellen
der Jugendlichen. Sie wollen mit aller Gewalt auf dem Sockel bleiben, von dem die
Jugendlichen sie stürzen wollen. Aus Eitelkeit, Machtstreben oder eigener Hilflosigkeit
versuchen die Erwachsenen, die Jugendlichen zu verunsichern, indem sie sie
„an die Wand diskutieren“, bloßstellen oder lächerlich machen. Auch wenn es häufig
so aussieht, als legten die Jugendlichen es darauf an: Das, was sie am schwersten
verkraften, ist, von den Erwachsenen aufgegeben zu werden.
Gönnen Sie den Jugendlichen das Gefühl, Sie „besiegt“ zu haben. Die Zeiten,
in denen Sie „Traumpapa“ oder „Traummama“ waren, sind vorbei. Tun Sie Ihren
Teil dazu, ein erwachsener Partner Ihrer Kinder zu werden.
Wesentliche Aufgabe der Erwachsenen in der Pubertät ist, gerade dann, wenn es zu
drastischen Vorfällen kommt, wenn z. B. Jugendliche massiv provozieren, die Beziehung
nicht abzubrechen. Gerade psychisch instabile Jugendliche brauchen die Verlässlichkeit
der sie begleitenden Erwachsenen.
Auch wenn es für diese schwierige Aufgabe keine Patentrezepte gibt, sollten Erwachsene
versuchen, einige „Leitsätze“ im Umgang mit ihrem pubertierenden Nachwuchs
zu beherzigen.
Was hilft oder: Gebote und Verbote für Eltern
• Versuchen Sie nicht, jugendlicher zu sein als die Jugendlichen, es hilft Ihnen
nicht. Jugendliche achten „richtige“ Erwachsene mehr als „Berufsjugendliche“.
Sie wollen keine 40–jährigen Freunde und Freundinnen.
• Seien Sie erwachsen, auch wenn Sie dafür Provokationen ernten.
• Stellen Sie sich dem Kontakt.
• Stellen Sie vernünftige Regeln auf und seien Sie flexibel bei der Einhaltung.
Lassen Sie Spielräume.
• Ermöglichen Sie Jugendlichen, ohne Gesichtsverlust Grenzüberschreitungen
und Regelverletzungen wieder zu korrigieren.
• Erziehung findet bei Jugendlichen nebenbei statt (beim Spaziergang, während
der Autofahrt, beim Einkauf ...).
• Nisten Sie sich im Hinterkopf der Jugendlichen als Stimme ein.
• Stellen Sie Jugendliche nie bloß, sie sind ausgesprochen verletzlich.
• Überhören Sie, was nicht unbedingt angesprochen werden muss.
• Halten Sie sich zurück mit Ihrer Meinung über Musik, Hobbys, Kleidung,
Outfit der Jugendlichen.
• Drängen Sie sich nicht auf, aber stehen Sie zur Verfügung.
• Unterstellen Sie immer wieder, dass Sie für die Jugendlichen wichtig sind,
auch wenn es sich manchmal anders anhört.
• Betonen Sie nie (vor allem im Beisein Anderer), dass Sie Phasen mit wenigen
Konflikten haben, es könnte von den Jugendlichen als Aufforderung zu
neuen Provokationen verstanden werden. Genießen Sie lieber spannungsfreie
Phasen, solange sie dauern!
• Trauen Sie Jugendlichen etwas zu und fordern sie sie.
• Lassen Sie sich nie an Orten blicken, die Jugendliche für sich reserviert haben
(Treffpunkte, Discos ...).
• Ironie trifft eine verletzliche Seele besonders hart.
• Denken Sie daran, dass die eigentlichen Grundlagen für Ihre Beziehung vor
der Pubertät gelegt werden.
• Sprechen Sie mit anderen Eltern, die in einer vergleichbaren Situation sind
und mit solchen, die diese schwierige Zeit hinter sich haben.
Wenn es mal gar nicht mehr auszuhalten ist, denken sie daran:
In einigen Jahren werden Sie und Ihre Kinder mit ein bisschen Abstand mit Kopfschütteln
und Schmunzeln an die Episoden aus dieser Zeit denken und unter der Überschrift: „Weißt du noch, als Du 14 Jahre alt warst ...“, dann Einiges besser verstehen
und einordnen können.
Kinder haben selten auf die ältere Generation gehört,
aber nie versäumt, sie nachzuahmen
Literaturverzeichnis:
Bastian, Maike und Till: Die Angst der Eltern vor dem Kind. Beck 2001
Benard Cherry/Schlaffer Edit: Einsame Cowboys. Jungen in der Pubertät. Kösel 2000
Hantel-Quitmann, Wolfgang: Beziehungsweise Familie. Band 1. Lambertus 1996
Mednick, Fred: Rebellen ohne Führerschein. Beltz 1998
Neutzling, Rainer: Herzkasper. Eine Geschichten über Liebe und Sexualität.
Rowohlt 1995
Rogge, Jan Uwe: Pubertät. Loslassen und Haltgeben. Rowohlt 1998
Autor:
Klaus Fischer
Dipl.-Soz.päd., Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut, Familientherapeut
(DGFS), Supervisor (DGFS)
Unter dem Leitthema: „Hilfen für Eltern“ sind folgende Broschüren direkt beim Autor
zu beziehen:
Hilfen für Eltern 1: „Mein Kind kommt in die Schule“
Hilfen für Eltern 2: „Pubertät – Wenn die Eltern komisch werden“
Hilfen für Eltern 3: „Immer diese Hausaufgaben“
Hilfen für Eltern 4: "Grenzen setzen"
Hilfen für Eltern 5: "Konzentration"
Hilfen für Eltern 6: "Wie funktioniert eine Familie?"
Hilfen für Eltern 7: "Die spielen ja nur "- Zur Bedeutung des Spiels im
Vorschulalter
Hilfen für Eltern 8: Kinder und Medien
Adresse:
Klaus Fischer
Rehweg 48
59872 Meschede
mailto: Kl.fischer-meschede@t-onine.de
Website: http://www.fischer-erziehungshilfen.de